Charly Hall
lebt und arbeitet in Berlin.
Über das Projekt
Im ersten Winter der Coronapandemie, Ende November 2020, hat es sich Charly Hall zur Aufgabe gemacht, zu Fuß von München nach Paris zu gehen. Diesen Weg hat er mit Kamera, Papier und Stift dokumentiert. Das dabei entstandene Werk ist zart und poetisch. Es zeigt in Nebel gehüllte Eindrücke der Winterlandschaft im Süden Deutschlands. Gleichzeitig schildert es den mentalen Zustand dieses Winters in einer globalen Krise, in der sich der Verlauf von Zeit zugleich verlangsamt und beschleunigt zu haben scheint. Es erzählt von Einsamkeit und einer geradezu existentiellen Erfahrung, an der Grenze zur Selbstqual.
Der Filmemacher Werner Herzog, dessen Werk für Hall seit seiner Kindheit prägend ist, inspirierte ihn zu seiner Reise. Herzog hielt seinerseits diese Reise mit allen ihren Stationen, die er 23.11. bis 14.12.1974 zu Fuß unternahm, in einem Notizbuch fest. Seinem Reisebericht gab er den Titel Vom Gehen im Eis. Anlass für diesen Marsch war die schwere Erkrankung der Filmkritikerin und geistigen Mutter des Neuen Deutschen Films, Lotte Eisner, die in ihrer Wohnung in Paris dem Sterben nahe lag. In einem beschwörenden Duktus beschreibt Herzog, wie er sie vom Sterben abhalten will, indem er diese Pilgerreise auf sich nimmt.
Halls akribisch genauer Nachvollzug dieser Reise, exakt am gleichen Tag 46 Jahre später beginnend, genau die gleiche Route nehmend, hat er selbst als den Versuch beschrieben, der ekstatischen Wahrheit, die Herzog in seinen Filmen immer wieder beschwört, nahezukommen und dieser nachzuspüren. Der Nachvollzug dieses Weges lässt sich als Reflexion über das Wesentliche des Lebens lesen, eine Frage, wie die Natur zum Spiegel der Befindlichkeit wird, und zugleich ein Porträt über den Zustand Deutschlands in der Pandemie – nicht, wie man es vermuten könnte in der Mitte einer Großstadt, sondern in der Peripherie. Die Fotografien sind menschenleer, grauer Himmel und Feldwege lösen sich mit ebenso wenig farbintensiven Dorfrändern ab.
Halls Reisenotizen erzählen von dem deutschen Topos, dem Wald, der den Künstler immer weiter absorbiert, sodass sich zwischenzeitlich die Grenzen zwischen dem Mensch und der Natur aufzulösen scheinen – die Gedanken zu Wald werden. Als die Natur den Wanderer wieder in die Zivilisation entlässt, ist das Misstrauen der Dorfbewohner:innen gegenüber dem einsamen Wanderer spürbar. Diesem auf sich selbst Zurückgeworfen-sein, eine Erfahrung, die in dieser Phase des Lockdowns eine kollektive war, vermag Hall mit seinem Fotoessay eine poetische Form zu verleihen.
Ein Text von Elisabeth Heymer
CV
2021 B.A. Kommunikationsdesign FH Potsdam
2019 Praktikum bei Schimmelpenninck.Gestaltung
2018 Gestaltung SPD Landesverband Berlin
2013 Kunstsammlung des Deutschen Bundestages
2012 Fotoassistenz Beat Presser, Basel
1987 Geboren in Berlin Kreuzberg
Ausstellungen
2023 KUNSTWILD Projektraum für Fotografie
2019 Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
2018 Leipziger Buchmesse
2017 Willy-Brandt-Haus
2012 C/O Berlin
Veröffentlichungen
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